Thematischer Rückblick auf die DVSR-Jahrestagung 2023

Mit dem unten stehenden Bericht von Herrn Wiss. Mit. David Maus, Universität Bayreuth, von der DVSR-Jahrestagung 2023 in Wörlitz schauen wir gerne auch inhaltlich noch einmal auf unsere sehr erfolgreiche Jahrestagung zurück. Der Bericht von Herrn Maus ist ebenfalls im SpuRt-Heft 6/2023 (SpuRt 2023, 513) erschienen.

Tagungsbericht: Jahrestagung der Deutschen Vereinigung für Sportrecht e.V. – Datenschutz im Sport und Persönlichkeitsrechte

Am 6. und 7. Oktober 2023 veranstaltete die Deutsche Vereinigung für Sportrecht (DVSR) e.V. ihre diesjährige Jahrestagung im schönen Wörlitz unter dem Generalthema „Datenschutz im Sport und Persönlichkeitsrechte“.

Nach der Begrüßung durch den Präsidenten Dr. Thomas Summerer sowie Grußworten der Ministerin für Justiz und Verbraucherschutz des Landes Sachsen-Anhalt Franziska Weidinger, stellte Rechtsanwalt Nico Winter in seinem Referat „Das Datenschutzrecht für die Arbeit im Verein und Verband“ die von Vereinen und Verbänden zu berücksichtigenden rechtlichen Herausforderungen und Rahmenbedingungen bei der Datenakquise und -verarbeitung vor. In Anbetracht der nach der DSGVO einleitend dargestellten datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit dieser Akteure sprach der Referent sich für verschiedene Maßnahmen zur Verbesserung der Datenschutz-Compliance aus. Neben einem nach Art. 30 DSGVO regelmäßig verpflichtend zu führenden Verarbeitungsverzeichnis sollen durch die Einbindung eines „Datenschutz-Hubs“ auf der Website des Vereins bzw. Verbandes die nach Art. 5 DSGVO geltenden Grundsätze der fairen Datenverarbeitung (Rechtmäßigkeit, Zweckbindung, Datenminimierung, Transparenz und Speicherbegrenzung) abgesichert werden. Ergänzt durch die Ernennung eines Datenschutzkoordinators als „One-Stop-Shop“-Ansprechpartner, erhielten Vereinsmitglieder so einen transparenten Einblick in die laufenden Verarbeitungsvorgänge bezüglich ihrer Daten und die Möglichkeit, die ihnen nach der DSGVO zustehenden Rechte bequem geltend zu machen.

Im anschließenden Vortrag von Dr. Raphael Rohrmoser zu dem Thema „Talent Scouting und Bußgeldgefahr“, beleuchtete dieser den auf der Gegenseite stehenden, rechtlich risikobehafteten Bereich der Verarbeitung von Daten von Nicht-Vereinsmitgliedern im Rahmen des Scoutings. Mangels wirksamer Einwilligung und ohnehin in diesem Stadium fehlender Vereinszugehörigkeit, komme regelmäßig als Rechtsgrundlage der Datenverarbeitung nur das „berechtigte Interesse“ nach Art. 6 I lit. f DSGVO in Betracht. Neben Vereinen positionieren sich zudem in diesem Feld vermehrt professionelle Unternehmen mit diversen Datenbank-Tools, die aus einer Vielzahl unterschiedlicher Quellen (einschließlich der offiziellen Ligaportale und Social-Media-Kanäle der Sportlerinnen und Sportler) Daten zusammentragen und bündeln. Diese Art der Profil-Erstellung erweise sich aus datenschutzrechtlicher Hinsicht gerade unter Zuhilfenahme automatisierter Datenverarbeitungsprogramme als problematisch, ist das sog. Profiling nach Art. 22 DSGVO an besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen geknüpft. Das gelte vor allem bei besonders schutzwürdigen personenbezogenen Daten (z.B. Gesundheitsdaten), für die Art. 9 I DSGVO eine nur auf berechtigtem Interesse beruhende Datenverarbeitung nicht zulässt. In Anbetracht der drohenden, in vergangener Zeit summenmäßig gestiegenen, Bußgelder sei hier Vorsicht geboten.

Prof. Niko Härting schloss mit einem praktischen Bericht über „Die Sanktionen der Aufsichtsbehörden und Rechtsmittel“ die Vortragsreihe des ersten Tagungstages. Nach einer kurzen Einführung in die nach der DSGVO den Datenschutzbehörden zugewiesenen Sanktionsmöglichkeiten und die dagegen bestehenden Rechtsmittel, folgte ein Résumé über die tatsächliche Welt der datenschutzrechtlichen „Rechtsdurchsetzung“. Die gesammelten Erfahrungen aus der Rechtsanwaltstätigkeit wiesen eine zurückhaltende Sanktionierungspraxis der Behörden aus, die sich anstelle von Bußgeldverfahren in der Regel auf Verwarnungen nach Art. 83 II 2 lit. e DSGVO beriefen oder laufender Verfahren über „Deals“ entledigen. Dies belege auch die auffällig geringe Anzahl der Verfahren vor den Verwaltungsgerichten.

Im Anschluss an die Mitgliederversammlung des DVSR und der SpuRt-Herausgeber-Sitzung bot ein köstliches Abendessen den Teilnehmenden in entspannter Atmosphäre einen angenehmen Ausklang des ersten Tagungstages.

Nachdem der erste Programmpunkt des zweiten Tagungstages leider krankheitsbedingt entfallen musste, wurde dieser von Dr. Johannes Öhlböck mit dem Thema „Die NADA-Veröffentlichungspraxis in Österreich und der EuGH“ eröffnet. In seinem Vortrag gewährte der Referent Einblicke in das noch vor dem EuGH laufende Vorabentscheidungsverfahren C-115/22 (NADA u.a.), in welchem er die Antragstellerin anwaltlich vertritt. Die zeitlich und zugriffsmäßig unbeschränkte Veröffentlichungshandhabung der NADA Österreich in Bezug auf Entscheidungen über Doping-Sperren gerate an mehreren Stellen mit den Vorgaben der DSGVO in Clinch. Es wurde dafür plädiert, entweder Angaben nur Offline verfügbar zu machen oder auf ein System der Zugangsbeschränkung umzusteigen, da gerade aus dem Vergleich zur Strafregistertilgung eine lebenslang veröffentlichte Doping-Sperre unverhältnismäßig sei. Ferner konzentrierte sich der Vortrag auf die Erkenntnisse aus den Schlussanträgen der Generalanwältin Tamara Ćapeta. Hervorgehoben und später in der Diskussion aufgegriffen, wurde die Bewertung der Unabhängigen Schiedskommission Österreich als „Gericht“ im Sinne des Art. 267 AEUV. Hinsichtlich der Anwendbarkeit der DSGVO auf den Sport, der Bewertung der Informationen über Doping-Sperren als Gesundheitsdaten im Sinne des Art. 9 I DSGVO und einer eingehenden Verhältnismäßigkeitsprüfung darf die Entscheidung des EuGH mit Spannung erwartet werden.

Thematisch abgestimmt schloss sich Prof. Dr. Rainer Cherkeh unter dem Titel „Die NADA-Veröffentlichungspraxis bei Schiedssprüchen in Deutschland und ihre datenschutzrechtliche Umsetzung“ an. Anhand des vor dem LDI NRW laufenden Beschwerdeverfahrens gegen die Veröffentlichung von Doping-Sperren-Schiedssprüchen auf der NADAjus-Plattform, wurde dargelegt, dass die eingetragenen Daten auf der Plattform in Kombination mit weiteren Informationen keine hinreichende Pseudonymisierung darstellen und leicht Rückschlüsse auf die Betroffenen zuließen, vgl. Art. 4 Nr. 1 DSGVO. Wie auch das LDI NRW kam der Referent zu dem Ergebnis, dass bereits die Rechtsgrundlage der Datenverarbeitung fraglich erscheine, bestünden bei einer Einwilligung nach Art. 6 I lit. a DSGVO erhebliche Zweifel hinsichtlich der erforderlichen Transparenz und Freiwilligkeit gem. Art. 7 III, IV DSGVO. Deshalb wurden im Gleichlauf zum vorherigen Vortrag ebenfalls plattformimplementierte Zugangsbeschränkungen auf die Schiedsspruchveröffentlichungen vorgeschlagen. Andernfalls müsse jedenfalls sichergestellt werden, dass die Identifizierbarkeit der betroffenen Personen ausgeschlossen ist. Die seit Juni 2020 ausbleibenden Veröffentlichungen von Entscheidungen über Doping-Sperren auf der NADAjus-Plattform belegt die Rechtsunsicherheit auf diesem Feld.

Im letzten Vortrag referierte Rechtsanwalt Simon Bergmann über „Verdachtsberichtserstattung und Persönlichkeitsrechte“. Die Bewertung des rechtlich Zulässigen erweise sich als Drahtseilakt zwischen extremem öffentlichem Interesse, welches ganze „Spezialkommandos“ der Medien auf den Plan rufe und den Persönlichkeitsrechten der Betroffenen. Bei Berichterstattungen in Form von Eindruckserweckungen müsse im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung immer die konkrete Form der Berichterstattung berücksichtigt werden. Bestimmte Sorgfaltskriterien seien hier von der Presse zwingend einzuhalten. Insbesondere wurde das Mindestmaß an Beweistatsachen betont, welches der „Je … desto“-Formel folgend bei gravierenden Vorwürfen ein „Mehr“ an Beweisen verlange, sowie die nötige Ausgewogenheit der Berichterstattung. So müsse beispielsweise nach positiver A-Probe eines Doping-Tests, die Pressemitteilung auch über die noch ausstehende B-Probe und Reaktionsmöglichkeiten der Sportlerinnen und Sportler informieren. In seinen Schlussworten betonte der Rechtsanwalt, dass auch mit Blick auf die Reaktionsmöglichkeiten der Betroffenen immer die konkreten Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden müssen und sich eine pauschale Vorgehensweise aus anwaltlicher Perspektive verbiete.

Mit einem abschließenden Mittagessen und einer Gondelfahrt durch den Wörlitzer Park endete die Jahrestagung des DVSR. Für eine überaus interessante und ertragreiche Veranstaltung zu einer Thematik, die die Sportrechtswelt sicherlich auch in Zukunft noch intensiv beschäftigen wird, ist dem DVSR und den Teilnehmenden recht herzlich zu danken.

Dipl.-Jur. Univ. David Maus, Bayreuth