Russland im Fadenkreuz des Internationalen Sportrechts
Russlands Präsident führt einen grauenhaften Angriffskrieg gegen die Ukraine. Spätestens in diesen Tagen muss jedem Sportromantiker klargeworden sein, dass Politik und Sport nicht trennbar sind. Sportlicher Erfolg gilt als Zeichen nationaler Stärke und Überlegenheit. Deshalb stellt sich die Frage, welchen Beitrag der Sport und das Sportrecht leisten können, um dem Krieg zu begegnen und für mehr Frieden in Europa zu sorgen.
Die völkerverbindende Kraft des Sports ist gefragter denn je. Der Sport muss einem lupenreinen Diktator die Stirn bieten. IOC, FIFA und UEFA, in letzter Minute auch noch das IPC, haben mit dem Ausschluss russischer Mannschaften und Sportler ein mutiges und wegweisendes Zeichen gesetzt. Weitere Sportverbände folgen. Auch die Athletenvereinigung Athleten Deutschland e.V. hat einen vollständigen Ausschluss Russlands und Belarus aus der Welt des internationalen Sports gefordert.
Das internationale Sportrecht ist für solche Krisenfälle nicht gut vorbereitet. Gegen Krieg führende Staaten und deren Sportverbände gibt es keine ausdrücklichen Sanktionstatbestände. Generalklauseln helfen nur bedingt. Bedauerlicher Weise haben die Sportverbände nach der Annexion der Krim ihre Statuten nicht „nachgerüstet“. Allerdings ist den Regelwerken immanent, dass nationale Sportverbände „ihr Land“ vertreten. Art. 4 Nr. 2 FIFA-Statuten erlaubt der FIFA, von dem selbst auferlegten Gebot politischer Neutralität in Belangen abzuweichen, die mit dem satzungsmäßigen Zweck zusammenhängen. Wird nun die Rechtmäßigkeit einer Sanktion vor Gericht angegriffen, dürfen etwaige Lücken in den Statuten dem CAS aber nicht als juristisches Feigenblatt dienen, um die verhängten Sanktionen gegen Russland zu revidieren. Denn nach herrschender Doktrin im internationalen Sportrecht ist anerkannt, dass Ausschlüsse aus einem Verein oder Verband aus wichtigem Grund auch dann zulässig sind, wenn diese Sanktion nicht in der Satzung steht.
Deshalb steht die Deutsche Vereinigung für Sportrecht voll und ganz hinter den bisher verhängten Sanktionen. Sie hält die Ausschlüsse von russischen Mannschaften, Funktionären, Athletinnen und Athleten, jedenfalls für die Dauer des Kriegs, für rechtmäßig, ja geboten. Frieden, Freiheit von Diskriminierung und Fair Play sind die höchsten Werte des Sports. Sie werden von Russlands Regierung jedoch mit Füßen getreten. Diese Werte sind die Geschäftsgrundlage für jeden sportlichen Wettkampf. Wer sich nicht daran hält, darf nicht mitspielen, auch wenn es bedauerlicher Weise „unschuldige“ Athletinnen und Athleten treffen mag. Diese Grundlage ist mit dem Einmarsch der russischen Truppen weggefallen.
Dies ist wohl weltweiter Konsens, was sich nicht zuletzt in der UN-Resolution widerspiegelt, mit der 141 Länder die russische Invasion verurteilt haben. Die Ächtung Russlands durch den Weltsport dürfte schließlich auch durch das Völkerrecht gedeckt sein. Russland verstößt eklatant gegen das Gewalt- und Interventionsverbot nach Art. 2 Abs. 4 der UN-Charta. Sanktionen sind Nothilfe für die Ukraine. Den Menschen dort gilt unsere uneingeschränkte Anteilnahme.
8. März 2022
Dr. Thomas Summerer
Präsident der Deutschen Vereinigung für Sportrecht e. V. (DVSR)